Kunst: Der in Mannheim lebende französische Keramiker Emmanuel Boos verarbeitet eine Vielzahl von Inspirationen

Die Fülle der Welt eingefangen

Hinter der Jesuitenkirche befindet sich in einer Hofeinfahrt das großzügige Atelier von Emmanuel Boos, französischer Keramikkünstler mit deutlichem Hang zur Bildenden Kunst. Vier Brennöfen, zwei mit Gas, zwei mit Elektrizität betrieben, stehen draußen, in ihnen lodert es gerade bis 1380 Grad, es gibt Gucklöcher, durch die man ins tosende Glutrot schauen kann, sehr aufregend! In der Werkstatt liegen dann verschiedene Räume, die je nach Bedarf feucht oder trocken und staubfrei sind oder als Büro und Fotostudio dienen.

Hier steht etwa ein großes verziertes Regal, das an eine Bibliothek erinnert, mit den sogenannten "Pflastersteinen". Dabei handelt es sich um ein Kunstwerk aus seinen Glasurrecherchen auf abstrahierten keramischen Körpern, die in allen Farben schillern. Bei einem Atelierbesuch wollen wir die Kunst des freundlichen, weltläufigen Franzosen näher kennenlernen.

Emmanuel Boos wurde 1969 in St-Étienne in Frankreich geboren. Schon mit 14 Jahren begann er sich als Austauschschüler in den USA für Keramik zu interessieren, was ihn niemals mehr los ließ. Für ihn war "Keramik schon immer eher emotional besetzt", es interessierte ihn seit jeher "die Tiefe der Oberfläche", ein quasi philosophischer Widerspruch in sich. Dieser Gedanke ist sehr bezeichnend für einen der besten französischen Keramiker, der seit 2014 in Mannheim lebt und arbeitet, das er durch sein Studium der Wirtschaftswissenschaften und den Kontakt mit einigen Mannheimer Künstlern schon lange kennt.

Einer der Besten in Frankreich

Nach Töpferlehre, Meisterschülerstatus bei Jean Girel in Burgund, ausgedehnten Reisen mit mehrjährigen Aufenthalten in Südkorea und China stellten sich in den 2000er Jahren erste Erfolge ein mit seinen sublimen, an der Töpferscheibe entstandenen Gefäßen. Auffällig ist für diese Zeit ein Festhalten an der Gefäßform, aber der Rand franst aus, bricht weg, verliert an Funktionalität. Denn: "Mich interessieren viel mehr die Unfälle, das Unvorhergesehene, das Unvorhersehbare", wie er sagt, "ich wollte mehr machen in der Keramik, nicht einfach nur Gefäße, ich wollte weg von der Töpferscheibe".

Durch wunderbare, an asiatischer Keramik orientierte Glasuren kam Emmanuel Boos letztendlich zu deren systematischer Untersuchung. Oder wie er selbst dazu sagt: "Ihre Tiefe ist poetisch, ihre Tiefe ist anziehend, nicht nur räumlich." Der Künstler unternahm ein Forschungsprojekt am Royal College of Art in London und schrieb seine Doktorarbeit über die Poetik der Glasuren. Er experimentierte viel mit Porzellanfolien, die man miteinander verkleben und so ganz leichte Glasurträger herstellen kann, wie seine "Pflastersteine" (wir sprachen eingangs davon, denn sie sehen tatsächlich so aus!).

Das Verlassen der Töpferscheibe

Für den Künstler wurde das Verlassen der Töpferscheibe zu einem Zugewinn an Freiheit: Wunderbare Werke entstanden seither, etwa seine "Postfächer". Emmanuel Boos nahm sozusagen das Volumen eines leeren Postfachs zur Form, bildete quasi die Leere ab und behandelte sie ähnlich wie seine "Pflastersteine" als Körper, die mit ausgesuchten, großartigen Glasuren überzogen werden.

Diese neuen Formen werden stets als Serie ausgestellt. Darüber hinaus arbeitet er auch mit Architekten zusammen und verkleidete etwa einen großen Kamin für einen renommierten Galeristen in Paris. Das wirkt einerseits sehr elegant, aber durch die Schönheit und die Tiefe der Glasuren gleichzeitig auch sehr ergreifend.

Oder wie Boos es ausdrückt: "Ich liebe das Spiel zwischen Oberfläche und Materie." Aber auch die Versenkung in die Schönheit, niemals jedoch das Sich-Verlieren in der Fülle der Welt.

© Susanne Kaeppele - Mannheimer Morgen, Donnerstag, 13.10.2016



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