AUSSTELLUNG: Gerhard Hoehme in der Galerie Zimmermann

Zwischen Bild und Betrachter

Das Gemälde ist weiß, oder? Unauffällig, unscheinbar. Beim zweiten Blick sieht man kleine, regelmäßig angeordnete, grünliche Felder, die auf der länglichen Leinwand das pastos aufgetragene Weiß unterbrechen. Grobe Bleistiftlinien geben die Richtung dieser Flecken in die rechte obere Bildecke vor. Immer mehr Farben sind zu entdecken: Braun, Gelb, Türkis. Und nach einer Weile glaubt man, einen Gebirgszug mit Eisenbahn auf Viadukten zu erkennen.

Gerhard Hoehme, der 1989 gestorbene Mitbegründer des deutschen Informel, hat dieses Seherlebnis so benannt: Der eigentliche Inhalt seiner Bilder seien die Zwischenbilder, sagte er ein paar Jahre vor seinem Tod. Bilder, die zwischen seinem Bild und dem Betrachter entstehen. Oder: "Bilder sind nicht auf der Leinwand, sondern im Menschen." In der Galerie Zimmermann in Mannheim geben Gemälde und Arbeiten auf Papier von 1958 bis 1988 dem Besucher die Möglichkeit, diesem "Ereignis", wie Hoehme es nannte, beizuwohnen. Über einen Zeitraum von 30 Jahren kann der Besucher die Entwicklung des Malers in der Geschichte des deutschen Informel verfolgen. Die Bilder zeigen beispielsweise Hoehmes Weg aus der Fläche in den Raum.

So zu sehen an dem Gemälde "Hyllos": Aus der Leinwand, die dick mit Acrylfarbe in Orange, Rot und Gelb bedeckt ist, hängen Kunststoff-Schnüre mit Saugnäpfen an den Enden. Das Gemälde wirkt als ein farbiges Innen, aus dem die Farbe mit den Schnüren hinausgeleitet wird und Kontakt mit der Außenwelt aufnimmt. Raffiniert ist die dickflüssige Farbe kombiniert mit dünnen Linien, die in ihrer vertikalen und horizontalen Anordnung an Karos erinnern.

An dem Bild "vor Spiel" von 1975, das in zarten Tönen gespachtelt ist, und aus dem erneut bemalte Seile zu wachsen scheinen, kann man eine weitere Spezialität Hoehmes beobachten: seine Liebe für beziehungsreiche Titel. So trägt auch das zu Beginn beschriebene Werk den schönen Titel "Gesang der Grillen auf dem Weg nach Amos". Und vielleicht sind die kleinen Farbflächen auf dem Bild gar keine Brückenbögen, sondern Noten.

Galerie Peter Zimmermann, Mannheim (Leibnizstr. 20); bis 20. April, Dienstag bis Freitag 13-18, Samstag 11-14 Uhr.

© Susanne Kaeppele - Mannheimer Morgen, 04.04.2002



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